Dem „Freiherrn“ gedient und nun „Freifrau“ (Bericht in der AZ vom 24.06.2020)
Coesfeld. Sie würde wieder Lehrerin werden – „vorausgesetzt, die Schulform Realschule wäre mir garantiert“, gibt Bernhild Kunstleben zu verstehen. Am kommenden Freitag hat die Leiterin der Freiherr-vom-Stein Realschule offiziell ihren letzten Arbeitstag. Heute wird sie verabschiedet. Nach 43 Berufsjahren, von denen sie 35 beim „Freiherrn diente“, 14 Jahre davon als Schulleiterin, wechselt die Nottulnerin nun in den Lebensabschnitt „Freifrau“ – im Sinne freier Lebensgestaltung ohne berufliche Verpflichtungen und Verantwortung. „Ich habe diese Funktion bis heute ausgesprochen gerne ausgeübt und das auch, weil ich tolle Teams und Ansprechpartner an meiner Seite habe: mein Kollegium, Schülerinnen und Schüler, deren Eltern, den Schulträger, die Stadt Coesfeld, zudem unterstützende Ansprechpartner bei der Bezirksregierung in Münster.“
Abschied nehmen fällt selten leicht, vor allem dann nicht, wenn es das Ende einer guten Zeit besiegelt. Ist dieser Zeitpunkt dann noch von einer unliebsamen Kollegin wie „Corona“ gekrönt, macht es das nicht einfacher. Gerade die letzten Corona-Monate forderten von ihr und ihrem Kollegium viel Flexibilität. „Wir mussten uns mit einer wahnsinnigen Geschwindigkeit auf das digitale Lernen umstellen und uns auf die entsprechenden Schutzmaßnahmen einstellen“, so Bernhild Kunstleben, die nicht mit Lorbeeren geizt: „Schulleitung ist Teamarbeit. Eine Schule kann nur so gut sein wie die Zusammenarbeit im Team!“
Schon vor der Grundschule war für sie klar, dass sie Lehrerin werden wollte, allerdings Reitlehrerin. Statt Puppenstube und Mädchengedöns zog es die Nottulner „Pippilotta“ wenn irgend möglich nach draußen. Ihr Lieblingspferd war Ida, die „Rotbunte“ auf der Kuhweide nebenan. „Das gutmütige Tier lag wiederkäuend in der warmen Abendsonne, und ich saß oder lag auf seinem Rücken und träumte mich in die weite Prärie der Cowboys und wilden Pferde. Zum Glück hatte ich keine Helikopter-Eltern“, blickt die Schulleiterin gerne auf glückliche Kindertage zurück.
Mut, Beharrlichkeit und sich nicht abschütteln lassen, sind Eigenschaften, die ihr aus frühester Kindheit vertraut sind und die sie in ihrer Berufslaufbahn stets sinnvoll begleiteten. Wobei sie nicht verschweigt, dass ihren Eltern in der siebten Klasse ein blauer Brief – für Mathe – ins Haus flatterte. „Da hing der Haussegen schief“, schmunzelt sie. „Unterstützung und Rückhalt durch die Familie oder ein anderes gutes soziales Netz sind besonders in solchen Phasen sehr wichtig für junge Menschen.“
Die Pädagogen seien heute mehr denn je Werte- als Wissensvermittler. „Deshalb bleibt die Freude am lebenslangen Lernen wichtig, Flexibilität im Denken und Teamfähigkeit stehen an oberster Stelle“, betont die 64-Jährige. Dass das dreigliedrige Schulsystem in Coesfeld erhalten werden konnte, ist für sie durchweg positiv.
Wie es weitergeht, wenn sie sich schweren Herzens von 47 Pädagogen und 637 Schülern verabschiedet hat? Fest steht, dass sie sich verstärkt wieder ihrer Leidenschaft der Kindheit widmen will: dem Reiten. Mittlerweile allerdings auf Pferden. Nein, der Standard „Keller fliesen“ steht nicht auf der Agenda, sehr wohl aber einige Renovierungsarbeiten. „Ich freue mich schon darauf, wieder mehr Zeit in Familien- und Sozialkontakte investieren zu können“, so die Pensionärin in spe.
Sicherlich werden Kunst und Literatur auch ihre Freizeit ausfüllen. Im Verein „Kunst & Kultur Nottuln“ freut sich der Vorstand schon auf ihre Mitarbeit.